Besteigung des Pik Dementieva über eine neue Route

Besteigung des Pik Dementieva über eine neue Route

пик Дементьева, 4202m, Kirgistan


Der zweite Teil der Kirgistan-Story von Julian Fink & Franz Wimmer

Servus und grias eich aus Kirgistan! Die letzten Vorbereitungen laufen, und heute verbringen wir die letzte Nacht in Karakol – stilecht in einer traditionellen, kirgisischen Jurte. Der Rucksack ist gepackt, aber ein wichtiges Detail fehlt noch: Benzin für unseren Kocher? Fehlanzeige! Also machen wir uns auf die Suche nach Treibstoff. Beim letzten Mal lief das so ab: Taxifahrer Razul – unsere Legende aus dem letzten Abenteuer – hatte es mit viel Glück an der Tankstelle direkt in eine Plastikflasche abgefüllt. Eigentlich strengstens verboten aus Sicherheitsgründen…

Dieses Mal hatten wir mehr Glück. Unsere netten Nachbarn aus dem Hostel gaben uns etwas Benzin – und luden uns sogar noch zum Essen ein. Perfekter Abschluss, besser könnte es nicht laufen!
Dann fragten uns zwei Holländer aus dem Hostel, ob wir uns am nächsten Morgen ein Taxi mit ihnen teilen wollen – sie wollten ins exakt gleiche Tal wie wir. Mehrmals zeigten wir ihnen auf der Karte unser Ziel, und sie versicherten uns, dass es sich um das gleiche Tal handle.
"Ja perfekt. Dann kon ja nix mehr schiafgeh, oder?"

Kirgistan Abenteuer 1

Ein kleines Umweg-Abenteuer
Alles läuft nach Plan. Das Taxi kommt, wir fahren über holprige Straßen ins Tal, steigen aus, freuen uns… und merken, dass wir im Nachbartal gelandet sind.
Juhu! (Wir waren statt im Jeti-Oguz-Valley im benachbarten Ak-Suu-Valley.)
Zum Glück hatten wir alles an Ausrüstung dabei und Lust auf ein Abenteuer. Also orientierten wir uns neu und gingen einfach los.


"Let’s fetz! Auf ein neues!"

Ehrlich gesagt gefiel es uns sogar ein bisschen, dass wir nun gefühlt im Expeditionsmodus unterwegs waren. Die Landschaft war einfach unglaublich – verästelte Flüsse, wilde Pferde, bestes Wetter.

"Wos mogst mehr?"

Nach etwa neun Kilometern im Tal mussten wir einen Fluss überqueren und stiegen dann recht steil Richtung Südwesten auf eine Hochebene. Dort fanden wir unseren ersten Biwakplatz.

Kirgistan Abenteuer 2

Neuer Plan – Neue Route
Eigentlich wollten wir einen Sattel überqueren, um ins ursprünglich geplante Nachbartal zu gelangen. Doch wie es der Zufall wollte, ergab sich eine neue Alternative. In der Ferne konnten wir einen vielversprechenden Grat erkennen – der sah viel zu spannend aus, um ihn zu ignorieren!

"Ui ui ui, des werd wieder a Abenteuer!"

Je näher wir kamen, desto einladender sah der Grat aus. Ein möglicher Gipfelanstieg über den Grat wurde immer wahrscheinlicher.

"Wos für ein schöner Berg?"

Bis dorthin hieß es aber erst einmal tiefen Schnee stapfen.

Der Aufstieg beginnt
Wir kämpften uns hoch zum ersten Sattel (1) – noch immer durch tiefen Schnee.

"Zach ohne Ende. Aber am Ende is’ es immer wert."

Vom ersten Sattel (1) ging es weiter zum Vorgipfel (2), von dem aus der Grat zum Wunschgipfel (3) losging.

"Letztes Mal stapfen für heid. Auf geht’s!"

Oben am Vorgipfel (2) fanden wir eine flache Schneefläche – perfekt für unser zweites Biwak.

Kirgistan Abenteuer 3

"Natürlich ham wir zwei Helden an Liter Bier mit hochgeschleppt. PROST!"
Sonnenuntergang, Abendessen, warmer Schlafsack, Bier – einfach traumhaft.Die Gipfeletappe – doch nicht wie geplant
Als wir den Grat zum Gipfel genauer betrachteten, sah er aus der Nähe weniger einladend aus. Nach unserem zweiten Biwak auf 4.000 m entschieden wir uns, westseitig über eine Schuttrinne abzusteigen – der Grat war objektiv zu gefährlich. Doch dann entdeckten wir eine neue Möglichkeit!

Auf der Nordwestseite des Gipfels fanden wir eine attraktive Aufstiegslinie:
Kurze Felspassagen im Mixed-Gelände und steile Schneefelder führten direkt zum Gipfel.
Also wurde der Plan erneut spontan umgeschmissen – und wir stiegen in die neue Route ein. Zunächst ging es über flaches Geröll und Gletscher. Danach wurde das Gelände immer steiler – der spannendste Teil begann!

Kirgistan Abenteuer 4

Technische Kletterei im Mixed-Gelände

Jetzt hieß es: Volle Konzentration! Wir sicherten uns selbst ab – doch zum Glück gab es sehr gute Placements für Sicherungen. Dann kommt der Ausstieg aus dem Mixed-Gelände…
… zu einem Felsen, an dem wir einen Körperstand einrichteten und nachsicherten.Noch eine kurze, leichtere Länge durch Fels und Schnee…

und weiter zum nächsten Körperstand. Ab hier ging es dann seilfrei weiter über lange steile Schneeflanken. Der finale Anstieg zum Gipfel führte über einen schneebedeckten Grat – atemberaubend schön.

"Jihaaaa!"

Die Freude war riesig! Noch schnell ein Gipfelselfie und dann einfach nur die Aussicht genießen. Wie besonders ist es, einen Gipfel ohne Druck und aus reiner Neugier zu entdecken.

Der Abstieg – Konzentration bis zum Schluss
Jetzt hieß es volle Konzentration, denn der Abstieg über die steilen Schneefelder erforderte höchste Aufmerksamkeit. Jeder setzte seine eigene Abstiegsspur – einerseits aus Lawinengründen, andererseits, um nicht in bereits bestehende Spuren einzusinken.
Es funktionierte perfekt! Die Mixed-Länge konnten wir umgehen, indem wir "skiers left" über eine steile Rinne abstiegen. Nach den letzten Schneefeldern erreichten wir endlich unsere Rucksäcke.
Jetzt erstmal: Musik & Verpflegung.

"Wos für a Tag?"

Kirgistan Abenteuer 5

Rückweg ins Jeti-Oguz-Valley
Der Weg führte vorbei an schmelzenden Gletschern und langen Schuttfeldern zurück ins Grüne. Plötzlich standen wir an einer unpassierbaren Felswand. Laut Karte sollte hier ein Weg hinunterführen – doch das vorgefundene Fixseil endete in einem nassen, überhängenden Kamin.
Umdrehen? Keine Option.
Wir folgten dem Flusslauf und fanden eine alternative Kletterstelle, wo wir abklettern und den Fluss knietief überqueren konnten.

"Puh, Glück g’habt!"
Wer hätte gedacht, dass die größte Herausforderung erst nach dem Gipfel kommt?
"Kirgistan, du wilde Socke. An jeder Ecke wartet a neues Abenteuer."

Fazit
In Kirgistan gibt es kaum verlässliche Wetterberichte oder aktuelle Bedingungen. Daher ließen wir uns einfach auf das ein, was vor uns lag. Diese spontane Routenfindung, das Klettern ohne Vorgaben und das flexible Reagieren machten diese Besteigung so besonders. In den Alpen ist so eine Erfahrung kaum noch möglich – doch hier in Kirgistan fühlt sich alles an wie eine grenzenlose, unberührte Natur.

"So Gschichtn schreibt einfach nur as Lebn!"

Kirgistan Abenteuer 6